Brauchen wir ein städtisches «Amt für guten Geschmack»?

Stellungnahme zur Debatte über das Stadtbild im Grossen Stadtrat vom Dienstag, 29.11.2005

30. November 2005 von Daniel Preisig

Der Grosse Stadtrat hat in seiner Sitzung vom Dienstag unter dem Deckmantel der Stadtbild­ver­schö­nerung einen regelrechten Paragraphenwald angepflanzt. Es gibt nichts daran auszusetzen, dass Sprayereien, Vandalismus und Abfallsünder mit Härte bekämpft werden. Es ist aber weit ver­fehlt, die Altstadtlädeli und Strassencafés in den gleichen Topf zu werfen und ihnen von den Post­kar­tenständern bis hin zu farbigen Sonnenschirmen praktisch alles zu verbieten. Leider hat es das städ­tische Parlament weitgehend verpasst, hier einen ausgewogenen Mittelweg zu finden.

Sprayereien, Vandalismus und Abfallsünder (Littering) sind grosse Probleme und müssen mit geeigneten Mitteln bekämpft werden. Für eine attraktive, lebendige und pulsierende Stadt braucht es aber auch Lädeli, die sich nach aussen prä­­sen­tie­ren und die Altstadt zum schönsten Einkaufszentrum der Region machen. Es braucht Ver­anstal­tungen, welche die Plätze dieser Stadt mit Leben füllen, an denen sich die Leute begegnen und miteinander feiern können. Alt­stadt­geschäfte und Veranstaltungen sind wichtig für die Attraktivität unserer Stadt. Sie als zerstörerische Ver­un­rei­niger an­zusehen, wäre völlig falsch. Genauso falsch ist es, innovative Geschäfte, die ihre Lädeli ab­wechs­lungs­reich präsentieren als Störung des Stadtbildes wahrzunehmen.

In diesem Punkt geht die Vorlage zu weit: Lädelibesitzer sollen neu auch kleine Warenauslagen von der Verwaltungspolizei bewilligen lassen müssen. Einzig bei den Reklameständern ergriff das Parlament die Gelegenheit und korrigierte die Verordnung, so dass das Aufstellen eines kleinen und gepflegten Reklameständers weiterhin bewilligungsfrei (und damit gebührenfrei) bleibt. Strassencafés werden zurecht­re­gle­men­tiert, sogar die Beschriftung von Sonnenschirmen wird vorgeschrieben. Auch bei den Schaufenstern soll die Verwaltungspolizei künftig ein Wörtchen mitzureden haben, damit sich auch alle Schaufenster (ich zitiere) «ästhetisch im Charakter, in Farbe, Form und Grösse einordnen». Es kann doch nicht sein, dass ein Amt darüber entscheidet, was im Schaufenster schön ist und was nicht! Ich stelle mir vor meinen Augen bildlich vor, wie die offiziell lizenzierten Schaufensterpolizisten durch die Strassen ziehen und zu knapp bestückte Schaufensterpuppen als nicht sittenkonform taxieren und nach amtlichen Richtlinien einkleiden. An dieser Stelle können wir die Verwaltungspolizei gleich umtaufen in «Städtisches Amt für guten Geschmack»! Das neue «Amt für guten Geschmack» entscheidet für uns dann auch gleich, welche Werbung gut ist und welche nicht. Mit den staatlichen Geschmackprüfern hat auch zu rechnen, wer einen Sonnenschirm in der falschen Farbe aufstellt!

Wie weit wollen wir den Reglementierungswahn noch treiben? Wollen wir das unserem Detailhandel, unseren Altstadtlädeli antun? Der überwiegende Grossteil der Geschäfte präsentiert sich ordentlich und ästhetisch gepflegt. Schliesslich liegt es im ureigensten Interesse jedes Geschäftes, auf seine Käufer attraktiv zu wirken. Wegen ein paar schwarzer Schafe gleich einen Paragraphenwald anzubauen, ist mit Kanonen auf Spatzen geschossen! Das Resultat ist: mehr Bürokratie, mehr Ärger, mehr Gebühren. Das eigentliche Ziel, unsere Stadt attraktiver zu machen, lässt sich damit kaum erreichen.

Die Junge SVP prüft derzeit ernsthaft das Ergreifen des Referendums, so dass das Volk darüber entscheiden kann, ob sie ein Sonnenschirmreglement und eine Schaufensterpolizei möchte oder nicht.