Sozialer Wohnungsbau ohne Strategie und ohne Berechtigung durch Parlament und Volk?

Interpellation vom 16. September 2014

Grosser Stadtrat Schaffhausen, von Hermann Schlatter

Im Mai 2012 erwarb der Stadtrat von der Baugenossenschaft Talberg drei ältere, schlecht unterhaltene Mehrfamilienhäuser an der Furkastrasse für 4.6 Millionen Franken. Damals teilte der Stadtrat mit, bis Ende 2012 werde das weitere Vorgehen entschieden, wie er das Ziel „preisgünstigen Wohnraum zu erhalten“ umsetzen wolle.

Bereits im letzten November wurde in diesem Zusammenhang eine Interpellation von Martin Jung mit dem Titel „Engagement der Stadt im sozialen Wohnungsbau“ eingereicht. Darin wollte der Interpellant vom Stadtrat wissen, wie weit die Planung bezüglich der Schaffung einer städtischen Wohnbaugenossenschaft oder Stiftung fortgeschritten sei. Anlässlich deren Beantwortung im März 2014 teilte uns der für die Immobilien der Stadt zuständige Finanzreferent Peter Neukomm mit, die Vorlage werde dem Rat nach den Frühlingsferien, aber sicher noch vor den Sommerferien zugestellt. Heute stehen wir kurz vor den Herbstferien und die Vorlage steht immer noch aus.

Im vergangenen Juli erwarb die Stadt für weitere 12.3 Millionen Franken Liegenschaften von den Baugenossenschaften Buchthalen und Sennenwiese, zudem beantragt der Stadtrat dem Parlament, mit seiner Vorlage vom 2. September 2014, von der Eisenbahner-Baugenossenschaft ein weiteres Grundstück für 2.15 Millionen Franken zu übernehmen.

Insgesamt engagierte sich die Stadt damit in den letzten zwei Jahren mit rund 19 Millionen Franken im sozialen Wohnungsbau und dies, ohne eine Strategie dem Parlament vorgestellt zu haben. Dieses Vorgehen ist äusserst seltsam und grenzt an eigen-mächtiges Handeln. Bestünde der ordentliche Prozess nicht darin, sich zuerst die Legitimation für das Instrument, mit welchem der soziale Wohnungsbau gefördert werden will, vom Parlament einzuholen und sich dann dementsprechend zu engagieren? Denn bis heute ist völlig unklar, welche Richtlinien zur Anwendung kommen, wenn es um die Vermietung dieser preisgünsti-gen, teilweise schlecht unterhaltenen Wohnungen geht.

Ausserdem stellt sich die Frage, ob der Rahmenkredit für Land- und Liegenschaftserwerb mit dieser extensiven Ausrichtung auf den sozialen Wohnungsbau gemäss dem Volkswillen eingesetzt wird: Als das Volk 1998 diesem Rahmenkredit zustimmte, war dieser Kredit primär für die «Wirtschaftsförderung» und «Sicherung eigener Bedürfnisse» definiert. Erst an dritter Stelle wird der «soziale Wohnungsbau erwähnt» . Land- und Liegenschaftskäufe, die nicht über diesen Kredit laufen, müssten gemäss Stadtverfassung ab 1 Mio. Fr. dem Parlament vorgelegt werden, ab 2 Mio Fr. unterstehen sie dem fakultativen Referendum. Mit der Verwendung des Rahmenkredites kann der Stadtrat diese Hürde umgehen.

Deshalb bitte ich den Stadtrat im Rahmen der Interpellation um Klärung und Beantwortung folgender Fragen:

1. Wann lässt der Stadtrat endlich die Katze aus dem Sack und präsentiert seine längst versprochene Vorlage, mit wel-chem Instrument die Stadt ihr Engagement im sozialen Wohnungsbau umsetzen will?

2. Ist der Stadtrat nicht auch der Meinung, dass bei diesem grossen Umfang an Investitionen, immerhin rund 19 Millio-nen Franken, üblicherweise zuerst eine vom Parlament genehmigte Vorlage vorliegen sollte, ehe die Exekutive der-massen viel Geld ausgibt?

3. Gemäss Kommentar zur Rechnung 2013 wird die Liegenschaftenverwaltung der Furkastrasse von der Firma Ritter Immobilien wahrgenommen? Werden damit sämtliche Arbeiten (Vermietung, Unterhalt, Sanierung) von dieser Firma wahrgenommen? Wenn ja, wer entscheidet in diesem Fall, was gemacht wird, wie es gemacht wird und wer erteilt die Arbeitsvergaben?

4. Sollte die Stadt für den grösseren Unterhalt selbst verantwortlich sein, mit welchen zusätzlichen Stellen ist zu rechnen, in welchen Bereichen?

5. Nach welchen Kriterien sollen die Mieten festgesetzt werden? Welche Vergleichsmieten werden dafür herangezogen?

6. Welche Kriterien kommen heute zur Anwendung, wenn es in den gekauften Liegenschaften zu Mieterwechseln kommt? D. h. welche Parameter müssen erfüllt sein, um in den Genuss einer preisgünstigen Wohnung zu kommen (Anzahl Kinder, Familie, Einkommen, Steuerzahlen, …)?

7. Wie wird Missbrauch verhindert? In welchem Turnus werden die unter Frage 6 genannten Kriterien auf deren Aktuali-tät hin überprüft? Werden Mieterinnen und Mieter aufgefordert, die Wohnungen zu verlassen, wenn sich ihre Situa-tion verbessert, resp. wenn sie die Bedingungen nicht resp. nicht mehr erfüllen? Besteht die Möglichkeit, dass Miete-rinnen und Mietern, die an sich keinen Anspruch auf preisgünstige Wohnungen haben, aber in solchen Wohnungen bleiben möchten, Mietzinszuschläge bezahlen können?

8. Wie stellt der Stadtrat sicher, dass der Rahmenkredit gemäss den Versprechungen in der Volksabstimmung zu ange-messenen Teilen auch für die Wirtschaftsförderung und eigene Bedürfnisse eingesetzt wird?

Ich danke für die Beantwortung dieser Fragen.