Degradierung der Landregionen zu Nicht-Entwicklungs-Gebieten?

Die SVP-Fraktion nimmt Stellung zum Richtplanentwurf.

3. Mai 2011 von Daniel Preisig

Die SVP/JSVP/EDU-Fraktion wehrt sich entschieden gegen die einseitige Ausrichtung der Siedlungsentwicklung nach dem öffentlichen Verkehr, wie sie als Teil des Agglomerationsprogrammes vorgesehen ist. Damit würden nicht so gut erschlossene Dörfer und Gemeinden zu Nicht-Entwicklungs-Gebieten degradiert.

Wenn der Kantonsrat am kommenden Montag das Agglomerationsprogramm behandelt, wird auch über eine Richtplan-Anpassung diskutiert werden. Neu soll Bauland nur noch dann ausgeschieden (eingezont) werden dürfen, wenn dies im Umkreis von 300 m einer im 30-Minuten-Takt bedienten Bushaltestelle, bzw. im Umkreis von 600 m einer Bahnhaltestelle liegt. Aus der Sicht der SVP/JSVP/EDU-Fraktion geht diese wachstumshemmende Selbstbeschränkung entschieden zu weit. Natürlich ist die Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr ein wichtiges Kriterium bei der Siedlungsentwicklung, aber eben nicht das einzige. Klassische Auto-Gemeinden bzw. -Gebiete sollten nicht in ihrer Entwicklung behindert werden. Wenn man die 300m- bzw. 600m-Radien auf einer Karte aufzeigt, wird schnell klar, dass verschiedene Gemeinden bzw. Dörfer künftig keine Einzonungen machen werden können und zu eigentlichen Nicht-Entwicklungs-Gebieten (NEG) degradiert werden. Beispiele: Guntmadingen, Merishausen, Bargen, Hemmental, Altdorf, Hofen, Bibern, Barzheim, Ramsen, Buch, Hemishofen. Andere Gemeinden, die zwar über gut bediente Haltestellen verfügen, haben das Problem, dass diese einfach zu weit weg sind von den eigentlich schönen Wohnlagen (Beispiele: Stein am Rhein, Thayngen, Hallau, Wilchingen/Osterfingen, Löhningen, Siblingen). Mit dem neuen Richtplan würden wir das Schicksal der Gemeindeentwicklung in die Hände der zentralistischen Verkehrsplaner delegieren. Die SVP/JSVP/EDU-Fraktion ist der Meinung, dass der ÖV für die Bevölkerung da sein sollte, und nicht umgekehrt. Der Schutz unseres Kulturlandes ist sehr wichtig, deshalb steht die SVP-Fraktion ein gegen die Zersiedelung und für eine gezielte Verdichtung nach innen. Statt einer kompakten Entwicklung erreichen wir mit dem aktuellen Richtplan-Entwurf aber genau das Gegenteil: Die einseitige Ausrichtung an den öffentlichen Verkehr führt zu «Flims-Dörfern» – also einer Siedlungsentwicklung entlang der Strassen und Bushaltestellen. Andererseits könnten unschöne Anreize für die Verlegung von Bushaltestellen entstehen, damit das neue Bauland dann in den Radius passt. Noch schlimmer: Eine Gemeinde muss zuerst das Busangebot ausbauen, bevor sie wieder einzonen darf. Die künstliche Bauland-Verknappung könnte auch zu unschönen Preissteigerungen für das Wohnen führen.

 

Die Spezialkommission hat unter dem Druck der SVP/JSVP/EDU-Vertreter die Regelung leicht aufgelockert und den unklaren Passus «in der Regel» eingefügt. Der gut gemeinte Kompromiss vermag aber nicht wirklich zu überzeugen. Das Grundproblem ist nicht gelöst: Es handelt sich um einen empfindlichen Eingriff in die Gemeindeautonomie. Ausserdem öffnet die unklare Formulierung Tür und Tor für Rechtsstreitigkeiten, was nicht in unserem Interesse sein kann. Die SVP/JSVP/EDU-Fraktion wird deshalb im Kantonsrat den Antrag stellen, die Regelung nochmals zu überarbeiten. Die Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr soll ein Kriterium für die Siedlungsentwicklung sein, aber eben nicht das einzige.

 

Korrekturbedarf herrscht aus Sicht der SVP/JSVP/EDU-Fraktion auch bei dem gezielten Versuch der Ausschaltung der Volksrechte. Um kritische Volksabstimmungen zu umgehen, hat die Regierung in ihrer Vorlage eine Gesetzesformulierung vorgeschlagen, wonach jeweils nur entweder auf Kantons- oder Gemeindeebene eine Volksabstimmung durchgeführt werden muss. Überall, wo der Kanton die Projektleitung hat, besteht auf Gemeindeebene kein Mitspracherecht und umgekehrt; man spricht von «gebundenen Ausgaben». Und dies, obwohl Kanton und Gemeinden verhältnismässig sehr grosse Beträge bezahlen müssen. Die SVP/JSVP/EDU-Fraktion ist der Überzeugung, dass wir unsere Volksrechte nicht dauernd beschneiden dürfen. Das Argument «wir tun ja was gutes, dann müssen wir keine Abstimmung machen» darf nicht gelten. Dann könnte man ja gleich die Monarchie wieder einführen. Ebenso darf die Angst vor einer Abstimmung kein Grund sein, diese nicht durchzuführen. Die SVP wird deshalb Antrag stellen, dass für die (vorliegende) erste Etappe, sowie auch für folgende Etappen jeweils auf Kantons- und Gemeindeebene im Rahmen der verfassungsmässigen Finanzkompetenzen Volksabstimmungen durchgeführt werden sollen.