Stadtratsprotokolle: Lügengeschichten des Stadtrats

Kleine Anfrage vom 4. April 2023

Grosser Stadtrat Schaffhausen, von Mariano Fioretti

Sehr geehrte wahrheitsbestimmende Mehrheit im Stadtrat,
sehr geehrte überstimmte, bedauernswerte Minderheit im Stadtrat

Seit die Protokolle des Stadtrates zum Bewilligungsentzug der Corona-Demo im 2021 einsehbar sind, ist klar: Die Mehrheit des Stadtrates hat mit allen Mitteln versucht, einen Fehler zu vertuschen und dabei – man muss es in dieser Deutlichkeit sagen – brandschwarz gelogen. Gegen aussen redete der Stadtpräsident von «Kommuni­kations­panne» und «internen Missverständnissen» (SN vom 23. April 2021) und beharrte darauf, dass es einen Beschluss gegeben habe. Heute haben wir es schwarz auf weiss: Es gab nie einen Stadtratsbeschluss.

Um den Fehler zu kaschieren wurde ein Zirkulations­be­schluss, den es gar nie gegeben hatte, mit einer 3:2-Mehrheit gegen den protokollierten Protest der bürgerlichen Stadtratsvertreter nachträglich ins Protokoll auf­ge­nom­men. Die Wahrheit zählte nicht. Es ging einzig und allein darum, die eigene Haut zu retten und nicht zugeben zu müssen, einen Fehler gemacht zu haben. Dass sich Mehrheiten in politischen Fragen durchsetzen können, gehört zu den demokratischen Regeln. Wenn aber die Mehrheit zum persönlichen Schutz einer Parteikollegin im Nachhinein die Wahrheit (Protokoll, Antwort auf kleine Anfragen) mit Mehrheits­be­schluss zurechtbiegt, dann wirft das Fragen auf und erinnert unweigerlich an den Roman mit dem Titel «1984»: Im Klassiker von George Orwell, welche die fiktive Zukunft unter totalitärer Herrschaft einer sozialistischen Partei beschreibt, werden Zeitungsartikel und Bücher im Nachhinein umgeschrieben vom staatlichen «Ministerium der Wahrheit». Genauso verhält es sich mit den Beschlüssen des Stadtrates offenbar auch. Die Mehrheit entscheidet, was wahr ist und was nicht.

In diesem Licht ist auch klar, warum der Stadtpräsident mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln versuchte, die Einsicht in die Stadtratsprotokolle zu verhindern. Zum Einsichtsgesuch schrieb er mir als GPK-Mitglied: «Es gibt zu Deinem Anliegen von unserer Seite nichts mehr weiter anzufügen. Stadtratsprotokolle sind nicht öffentlich.» Es brauchte einen Obergerichtsentscheid, um die Machenschaften und das Lügenkonstrukt ans Licht zu bringen.

Es stellt sich unweigerlich die Frage, ob es noch weitere Geschäfte gibt oder gab, bei welchen der Stadtpräsident und oder der Stadtrat nicht die Wahrheit gesagt haben.

In diesem Zusammenhang stellen sich folgende Fragen:

1.       Warum hat der Stadtrat die Einsicht in die genannten Stadtratsprotokolle verweigert, und das sogar gegenüber einem Mitglied der Geschäftsprüfungskommission? Ging es nur darum, die Wahrheit unter dem Deckel zu halten?

2.       Aus welchem Grund hat der Stadtrat nicht einfach die Wahrheit gesagt («Es ist ein Fehler passiert!»), sondern ein Lügenkonstrukt entworfen, das die Mehrheit nachträglich ins Protokoll aufnahm?

3.       Im Stadtratsprotokoll der Sitzung nach der Corna-Demo wird folgende Aussage eines Stadtratsmitglieds festgehalten: «Hierzu werde es Fragen aus der GPK und dem Parlament geben und er möchte nicht, dass weitere Lügengeschichten erfunden werden müssen». Wie erklärt der Stadtrat der Bevölkerung diese Aussage?

4.       Wie den Protokollauszügen weiter entnommen werden kann, wurde an der ordentlichen Stadtratssitzung nach der Corona-Demo mit Mehrheitsentscheid entschieden, rückwirkend ins Protokoll der letzten Sitzung, also derjenigen vor der Corona-Demo, einen Eintrag aufzunehmen, dessen Sachverhalt sich so nicht zugetragen hat (siehe auch Frage 4). Entspricht diese nicht wahrheitsgetreue Protokollierung nicht einer Fälschung mit strafrechtlichem Charakter?

5.       Gibt es noch weitere Geschäfte, bei welchen absichtlich nicht die Wahrheit gesagt wurde?

6.       Was unternimmt der Stadtrat, damit das Vertrauen in die Exekutive wieder hergestellt wird?

7.       Wie gedenkt der Stadtrat bei weiteren Einsichtsgesuchen vorzugehen? Muss erneut der Weg über das Obergericht beschritten werden oder händigt der Stadtrat die gewünschten Protokolle freiwillig aus?

8.       Falls die Protokolle fortan einsehbar sind: Ist sichergestellt, dass die Diskussionen im Stadtrat gemäss den Vorgaben des Gemeindegesetzes weiterhin protokolliert werden?

Für Ihre umgehende Antwort danke ich Ihnen im Voraus bestens.